Hohe Ambiguitätstoleranz - Ein stärkerer Genger und eine bessere Führungskraft sein
Erst einmal, was ist Ambiguitätstoleranz?
Ambiguitätstoleranz bezeichnet unsere Fähigkeit, mit Unsicherheiten und mehrdeutigen Situationen umzugehen.
Wie reagierst Du auf unbekannte Situationen?
Kannst Du Dich leicht auf neue, Dir fremde Menschen einstellen? Andere Kulturen? Wie wirken Situationen auf Dich, bei denen mehrere Beteiligte unterschiedliche Interessen verfolgen?
Hast Du lieber klare Verhältnisse oder kannst Du auch Unsicherheiten gut aushalten?
Wenn Deine Ambiguitätstoleranz niedrig ist, reagierst Du in solchen Situationen unsicher, schnell gereizt, manipulativ oder versuchst, Dich komplett daraus zurück zu ziehen.
Als Führungskraft oder Unternehmer:in nicht gerade optimal. Denn das Risiko ist groß, dass Du vorschnell und unbedacht entscheidest und handelst.
Manche Menschen geraten in Konfliktsituationen so sehr unter Druck, dass sie:
die vermeintlich sichere Lösung wählen, ohne sie wirklich zu prüfen,
Aufgaben an Dritte abschieben, ohne dass diese vorbereitet oder dafür kompetent sind
Veränderungen pauschal ablehnen, weil allein die Tatsache, dass die Entwicklung ungewiss ist, sie lähmt
sofort die Seite des vermeintlich Stärkeren ergreifen
Unterlegenheit aufgrund niedriger Ambiguitätstoleranz
Die Folgen können im Umgang mit Geschäftspartnern, Stakeholdern, Vorgesetzten oder Kunden gravierend sein. Gravierend negativ. Denn derjenige mit der niedrigen Toleranzschwelle verschlechtert normalerweise seine Position und seine Chancen langfristig und fühlt sich außerdem schnell überfordert.
Im Umgang mit Mitarbeitenden führt eine niedrige Ambiguitätstoleranz der Führungskraft dazu, dass sich die Unsicherheit auf das Team überträgt.
Fühlt sich die Führungskraft überfordert und will sich mit Sachverhalten oder Konflikten nicht auseinandersetzen, sind auch meist die Anweisungen an die Mitarbeitenden ungenau, mehrdeutig. Gleichzeitig reagiert die Führungskraft aggressiv, wenn die Mitarbeitenden diese Unsicherheiten nicht selbständig ausgleichen in der Bearbeitung. Wie sollten sie?
Oft wird von Konkurrenten, Kontrahenten, sogar Vorgesetzten und Kollegen bewusst Unsicherheit und Unklarheit geschürt, um Druck auszuüben und/oder Deine Position zu schwächen und die eigene zu stärken.
Allein indem Du Dir das klar machst, nimmst Du die Macht aus diesem Spiel. Wenn man eine Taktik durchschaut hat, gewinnt man bereits dadurch mehr Kontrolle. Und das wird Dein Gegenüber merken.
Du wirst Krisensituationen weitaus besser überstehen. Außerdem kannst Du erkennen, ob in Deinem Unternehmen solche Machtspiele zur Kultur gehören.
Rollenunklarheit - und damit Ambiguität, Unsicherheit und damit Stress - kann auch unbewusst entstehen, weil diejenigen, die Aufgaben und Befugnisse verteilen selbst nicht in der Klarheit sind. Oder weil sie Situationen nur aus einem bestimmten Blickwinkel (zum Beispiel dem wirtschaftlichen oder unternehmerischen) betrachten und andere Aspekte nicht mit einbezogen haben. Wenn Du merkst, dass Dich diese Unklarheit der Anweisungen der übergeordneten Ebene belastet, kannst Du das konkret ansprechen. Ein gutes Management wird versuchen, die Erwartungen Dir gegenüber zu konkretisieren. Das zeigt Dir - und Deinen Vorgesetzten - Deinen tatsächlichen Entscheidungsspielraum und worauf Du wie weit Einfluss nehmen kannst.
Ambiguitätstoleranz steigern
Du bist gut beraten, wenn Du Dir einmal Gedanken machst, wie hoch Deine Ambiguitätstoleranz ist. Wie gelassen Du also angesichts neuer, kniffliger oder konfliktbeladener Situationen bleiben kannst.
Stelle Dir einmal folgende Fragen:
Wie leicht kannst Du Dich in neuen SItuationen zurechtfinden?
Stehst Du Veränderungen in Deinem Job offen und positiv gegenüber, oder misstrauisch und ablehnend?
Wie gefallen Dir Veränderungen im Privatleben? WIe leicht fällt es Dir, Gewohnheiten zu ändern?
Suchst Du selbständig nach neuen Erfahrungen?
Wie fühlst Du Dich unter Menschen mit einer jeweils unterschiedlichen Agenda?
Keine Sorge, wenn Dir jetzt auffällt, dass Deine Toleranzschwelle sehr niedrig ist. Man kann diese Toleranz mit Übung erhöhen.
Hier ein paar Tipps, um Deine Ambiguitätstoleranz (und damit auch Deine Stressresilienz) zu steigern:
Mache Dir klar, dass es in den seltensten Fällen nur ein “entweder - oder” gibt. Meist stellen Menschen es nur so dar, um ihre Interessen durchzusetzen. Suche immer nach der “sowohl - als auch”-Variante oder der “ganz anders”-Lösung. Mache Dir dieses Denken zur Gewohnheit.
Trenne sorgfältig zwischen den Verantwortungsbereichen. Wofür tragen Deine Vorgesetzten Verantwortung, wofür Du, wofür Deine Mitarbeiter? Du kannst nicht fremde Verantwortung erfüllen, also versuche es gar nicht erst. Es stärkt Dich im Handeln und Entscheiden, wenn Du Dir deinen eigenen Verantwortungsbereich immer klar machst und Dich von fremden distanzierst.
Überlege, warum Dich widersprüchliche Situationen oder Konflikte stressen. Welche Überzeugungen stehen dahinter? Wie kannst Du sie ändern, um gelassener zu reagieren
Beschäftige Dich mit dem Thema “Growth Mindset vs. Closed Mindset”
Versuche bewusst, Neues auszuprobieren in Deiner Freizeit, sei es ein Hobby, Ernährung, Sport
Übe, ins Gespräch mit fremden Menschen zu kommen und beende das Gespräch nicht sofort, wenn sie anders sind als Du
Höhere Ambiguitätstoleranz macht Dich zu einem stärkeren Gegner und einer besseren Führungskraft
Der Vorteil ist, dass Du in unsicheren, unbekannten Situationen gelassener bleibst. Damit bist Du natürlich aufnahmefähiger und kannst kreativer und lösungsorientiert denken. Denn Du verfällst nicht in den Abwehr- und Fluchtmodus, der uns einschränkt oder lähmt.
Ebenso fällt es Dir leichter mit widersprüchlichen Anforderungen an Dich umzugehen. Du kannst klarer sondieren, was Dir realistisch möglich ist, was Du erfüllen kannst und willst. So verhinderst Du, von Dir enttäuscht zu sein - und damit Stress auf Dich auszuüben - obwohl Du keine Chance hattest, alle Anforderungen zu befriedigen.