Was wir von der Rugby-WM für die Teamführung lernen können
Vielleicht gehörst du auch zu denen, die die Rugby-WM zumindest in Teilen verfolgt haben. Erstaunlich viele Leute hat dieses Spiel in den letzten Wochen begeistert. Dabei sieht es auf den ersten Blick nur nach „organisierter Rangelei“ aus.
Doch über die Spiele konnte man einige interessante Punkte - gerade aus dieser WM - herauspicken, die man sich gut und gerne für die eigene Teamführung merken kann.
Jeder Spieler im Team kennt den Plan und hält sich daran
Die Interviews vorab und im Anschluss des Spiels mit Coach, Kapitänen und Spielern der erfolgreichen Mannschaften wie Südafrika, Neuseeland und England haben eine Gemeinsamkeit gehabt: Man hatte einen Plan, wie das Team das jeweilige Spiel angeht und an diesen Plan hielt sich jeder Spieler. Bei Südafrika wie auch Neuseeland war es - neben ihrem überwiegend hervorragendem Spiel - vor allem das Durchhalten, egal, wie der Spielstand zeitweise aussah. Die Spieler hielten durch und behielten die Nerven, bis die Gelegenheit da war, die besonderen Stärken einzusetzen - oft wenige Minuten vor Spielende.
Auch die Engländer, deren Coach relativ spät zum Team kam und mit dem arbeiten musste, was er vorfand, hatten einen Plan. Das Spiel muss nicht schön sein, aber wir machen das, was wir am besten können, so ähnlich könnte man es zusammenfassen. „Es ist mir egal, was andere von uns halten“, erklärte Coach Steve Borthwick zu Kritik am englischen Spiel. Das brachte die englischen Red Roses, denen kaum einer Erfolg zutraute, bis ins Halbfinale.
Das Team zum Durchhalten motivieren, auch wenn es schlecht läuft
Neuseeland und Südafrika kamen letztlich ins Finale, nicht nur, weil sie zweifellos gut spielten, sondern weil sie größere nervliche Ausdauer zeigten als die anderen Teams. Egal wie der Spielstand war, sie schafften es immer wieder, geordnet vorzugehen, sich zu sammeln und nicht demotivieren zu lassen. Diese Einstellung muss letztlich vom Coach und Kapitän vermittelt und gestärkt werden.
Eine Mission über den bloßen Erfolg hinaus
Die Spieler kämpften nicht nur um einen Sieg und einen Sprung in der Karriere. Wie der südafrikanische Kapitän Siya Kolisi sagte: Es ging ihnen auch darum, den Kindern in ihrem politisch unruhigem Staat Hoffnung zu geben und allen zu zeigen, dass die Spieler unterschiedlicher Hautfarbe eine Einheit bildeten.
Die englischen Spieler betonten, sie wollten ihren Sport wieder den Kindern und Jugendlichen im Heimatland zugänglich machen und sie dafür begeistern. Sie wollten mehr erreichen, als nur den nächsten Punktsieg und das beflügelt jedes Team.
Transparente Kommunikation
Vielen Zuschauern, die neu zum Rugby dazukamen, fiel auf, dass für die Zuschauer die Kommunikation des Schiedsrichters, sowie der Videorichter hörbar war. So konnte jeder nachvollziehen, was zu welcher Entscheidung geführt hatte. Der jeweilige Schiedsrichter gab die Begründungen an die Mannschaftskapitäne weiter.
Klare Kommunikationsregeln
In erstaunlich vielen Teams im Arbeitsalltag fehlt es immer noch an klaren Kommunikationsregeln.
Beim Rugby spricht der Schiedsrichter nur mit den Kapitänen. Sie geben die Informationen oder Anweisungen weiter an einzelne Mitspieler. Ausnahme, wenn der Schiedsrichter der gesamten Mannschaft bzw. beiden Teams Tipps gibt, was sie machen sollen.
Kaum ein Spieler fängt an, mit dem Schiedsrichter zu diskutieren.
Natürlich soll in einem Unternehmens-Team jeder zu Wort kommen dürfen. Aber es hilft, ein paar Regeln vorzugeben, damit verhindert wird, dass Gespräche doppelt und dreifach geführt werden oder Themen zunächst an der völlig falschen Stelle vorgebracht werden, oder ein Vorankommen durch stundenlanges Debattieren in der gesamten Gruppe verhindert wird.
Auch Introvertierte sind erfolgreiche Teamführer
Immer noch glauben viele talentierte Introvertierte, sie könnten Menschen schlecht führen. Bestes Gegenbeispiel ist der englische Coach Steve Borthwick, der als sehr introvertiert gilt. Interviews mit den Spielern zeigen, dass nicht das Wichtigste ist, dass der Trainer immer „mit dabei“ ist oder besonders zugänglich. Sehr viel wichtigere Punkte für sie waren, Vertrauen in die Entscheidungen des Trainers und zu wissen, dass er hinter ihnen steht.
Jeder Spieler/Mitarbeiter hat Fähigkeiten, die zum Erfolg beitragen
Diese zu erkennen und zu fördern ist die Aufgabe der Führungskraft. Noch einmal Bespiel Englands Red Roses. In dieser Mannschaft wurden eine ganze Anzahl von Spielern eingesetzt, die bereits abgeschrieben waren. Zu alt, nur noch für Social-Media-Gags tauglich und ähnliche Urteile gab es im Vorhinein zu hören. Dass sie von der Bank geholt wurden, überzeugte viele nicht. Gerade diese Spieler, wie zum Beispiel Joe Marler, trugen entscheidend zu den Erfolgen der Mannschaft bei und gaben alles. Die Red Roses waren alles andere als der Favorit, aber sie erreichten als einzige ungeschlagen das Halbfinale und verloren gegen den Favorit Südafrika nur mit gerade mal einem Punkt. Schafft es die Führung, ihre Teammitglieder ihren Stärken entsprechend einzusetzen, allen das Gefühl zu geben, dass sie wirklich etwas beitragen können zum Erreichen des Ziels und das Miteinander im Team dahingehend zu stärken, kann man auch Mitarbeiter erfolgreich mit einbeziehen, die vielleicht auf den ersten Blick nicht (mehr) die Überperformer zu sein scheinen.
Das Team nicht nur für Siege loben
Es ist leicht, seine Mannschaft zu loben, wenn der Erfolg eingefahren wurde. Ebenso wichtig ist es, das Team für gute Leistungen und Einsatz zu loben, obwohl der Erfolg nicht erreicht werden konnte.
Der neuseeländische Kapitän Sam Cane lobte nach der Niederlage im Finale ausdrücklich die Leistung seiner Mannschaft, obwohl er ebenso die Leistung der Springbocks anerkannte und Fehler seiner Mannschaft im Spiel einräumte (und das nicht nur, weil er selbst die rote Karte kassiert hatte).
Respekt und Höflichkeit im Team und gegenüber Konkurrenten
Beim Rugby wird an Trikots und Hosen gezogen, Ohren malträtiert, da prallen 150 Kilo Körpergewicht auf 150 Kilo Körpergewicht (wobei auch die Statur der Spieler je nach Einsatzbereich erstaunlich divers sein kann), aber trotzdem beeindruckt jeden, der ein solches Spiel sieht, mit wieviel Respekt und sogar Höflichkeit abseits des Gedränges und des Tackling miteinander umgegangen wird. Natürlich gibt es immer Ausnahmen, für so ein hartes Spiel jedoch erstaunlich wenige.
Das gilt nicht nur für das Verhalten zwischen Spieler und Schiedsrichter, und das liegt nicht nur an englischen Höflichkeitsformen (Schiedsrichter neben dem Gedränge: „you´re pulling his shirt. Don’t do that please“).
Auch die Spieler untereinander zeigen sich abseits des Spielfeldes und oft auch auf dem Spielfeld respektvoll zueinander.
Auch im Finale, obwohl hier so viele gelbe Karten wie noch nie verteilt wurden und sogar eine rote. Der südafrikanische Kapitän Kolisi stellte als erstes in seinem Interview nach dem WM-Sieg fest, wie gut die All Blacks aus Neuseeland gespielt und wie schwer sie ihnen zu schaffen gemacht hatten.
Natürlich sind diese strengen und klaren Regeln auf dem Spielfeld wie auch daneben besonders wichtig bei diesem unbestreitbar gefährlichen Sport, der bis heute ohne Schutzausrüstung gespielt wird. Aber warum sollte diese Einstellung nicht auch für weniger raue Umgebungen gelten und positive Wirkung haben.