Detlefsen-Coaching

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Wie sag ich meiner Chefin/meinem Chef, dass es mir zuviel wird?

Immer wieder habe ich Gespräche mit Klienten, Mitarbeiter wie Führungskräfte, die zwar sehen, dass ihre derzeitige Arbeitsauslastung ihre Gesundheit schädigt, aber nicht sehen, wie sie es mit den Vorgesetzten ansprechen sollen.

Vielleicht kennst Du diese Gedanken selbst:

  • Wenn ich das anspreche, dann stehe ich ja als Weichei da.

  • Ich will nicht rumjammern.

  • Vielleicht bilde ich mir das nur ein.

  • Es gibt gerade so viele Ausfälle bei uns, die brauchen mich.

  • Mein/e Kollege/in ist schon seit Monaten krank. Da kann ich jetzt nicht mit Problemen ankommen.

  • Die Kunden verlangen wirklich immer alles so schnell.

  • Es gibt einfach so viel zu tun.

  • Mehr kann sich die Firma nicht leisten.

  • Vielleicht fliege ich dann raus, oder werde rausgemobbt.

Achtung: Ausgangspunkt ist, dass die Situation bereits mehrere Wochen, meist mehrere Monate anhält! Wir sprechen hier nicht von Ausnahmesituationen, die vielleicht 6-8 Wochen nicht überschreiten.

Hilfreich ist in solchen Fällen, erstmal eine grundlegende Frage für sich zu klären:

In wessen Verantwortung fällt welches Problem?

Denn gerade die guten, pflichtbewussten, leistungsfreudigen Mitarbeiter:innen übernehmen sehr gern und ohne es zu merken, die Verantwortung für andere - und haben schlaflose Nächte mit den Problemen anderer Leute.

Hier ein paar Beispiele. Je nachdem, wie die Antwort ausfällt, kann man sich als gestresster Mitarbeiter dann mit der weiteren Lösung beschäftigen:

  • Viele oder langfristige Krankheitsfälle? - Sehr unschön, aber das Problem des Arbeitgebers. (Lösung 1)

  • Kunden verlangen so viel? - Man kann nicht mehr leisten, als realistisch ist. Letztlich also ein Problem des Kunden (Lösung 1)

  • Es gibt einfach so viel zu tun? - Glückwunsch! Problem des Arbeitgebers (Lösung 1)

  • Mehr kann sich die Firma nicht leisten? - Problem des Arbeitgebers (Lösung 1)

  • Ich will nicht rumjammern? - Deine Verantwortung: dann überprüfe, ob Du wirklich Grund für die Kritik hast (Lösung 1) - wenn nicht (Lösung 2)

  • Vielleicht bilde ich mir das nur ein? - Deine Verantwortung: Du solltest Deine Situation sachlich überprüfen und wenn Du es Dir tatsächlich „einbildest“, dann: (Lösung 2)

  • Vielleicht fliege ich dann raus? - Das Risiko besteht eigentlich nur in kleinen Unternehmen und dann liegt die Risikoabwägung in Deiner Verantwortung - (Lösung 3)

  • Vielleicht werde ich gemobbt - Das kann in großen wie kleinen Unternehmen passieren. Wieder ist die Risikoabwägung Deine Verantwortung - (Lösung 3)

Wenn Du weißt, wo die Verantwortungen liegen, dann ist es leichter, das weitere Vorgehen zu planen.

Lösungsweg 1:

Du solltest auf jeden Fall das Thema auf den Tisch bringen.

  • Nimm die Emotionen raus.

  • Bereite Dich gut vor, am besten schriftlich.

  • Liste Fakten und sachliche Argumente auf, warum von Dir mehr erwartet wird, als Du nach Deinem Vertrag leisten musst UND mehr, als Du zu leisten bereit bist.

  • Vielleicht liegt es an der Kommunikation und Aufgabenverteilung, die Dir unnötig Mehrarbeit und Belastung bringt? Dann zähle genau diese Knackpunkte auf.

  • Am besten hast Du Dir gut überlegt, was angemessen ist, und hast sogar Vorschläge wie man einige der Knackpunkte effektiver gestalten kann.

Es geht gar nicht darum, ob Du als nicht belastbar oder als ein Weichei erscheinst - Es geht darum, klar zu kommunizieren, was man von Dir verlangen darf und was nicht. Auf Augenhöhe.

Eine Führungskraft brachte es in einem Seminar gut auf den Punkt: „Weißt Du, wer ein Weichei ist? Ein Weichei ist jemand, der sich seines Werts nicht bewusst ist und diesen nicht gewürdigt verlangt.“

Du bist nicht dafür angestellt, die Arbeit für 2 oder 3 Mitarbeiter zu machen. Wenn dem so ist, so musst Du auch für 2 oder 3 Mitarbeiter bezahlt werden. Und selbst dann ist es einfach nicht realistisch, die Arbeit über längere Zeit fehlerfrei - und gesund - zu erledigen. Mit einem Burnout ist niemandem gedient, auch Deinem Unternehmen nicht.

Perspektivenwechsel berücksichtigen

Die meisten Chefs/Chefinnen sind für diese Argumente zugänglich, gerade, wenn ihnen keine überzeugenden Gegenargumente bleiben. Oft haben sie die Dinge bisher nur von ihrer Warte aus und aus ihren Sorgen heraus gesehen. Das machen wir Menschen natürlicherweise.

Wenn Du zeigst, dass Du die Situation durchdacht und von mehreren Seiten beleuchtet hast, dann wirst Du sehr wahrscheinlich vom positiven Verlauf des Gesprächs überrascht sein.

Ich habe mittlerweile sehr oft erlebt, dass Mitarbeiter wie Führungskräfte, die ihre Überlastung offen und sachlich mit ihren Chefs/Chefinnen ansprechen, sehr wohl gehört und ernst genommen werden.

Übrigens:

Gerade, wenn Du bisher eine gute und verlässliche Arbeitskraft bist - und ansonsten wärst Du nicht in diese Lage geraten, oder? - glaubst Du wirklich, dass auf Dich leicht verzichtet werden kann?

Lösungsweg 2:

Du kommst nach Überprüfung - vielleicht mit Hilfe einer neutralen dritten Person, der Du vertraust - darauf, dass die Situation zu bewältigen ist, für Dich aber dramatisch erscheint.

Die gute Nachricht: Es liegt in Deiner Hand, Deine Situation zu ändern!

  • Welche Strategien hast Du, um mit Anforderungen umzugehen?

  • Wie organisierst Du Dich beim Arbeiten?

  • Wie sorgst Du für Deine Erholung?

  • Mit welchen inneren Anforderungen und Erwartungen an Dich sorgst Du selbst für unnötigen Stress?

  • Was genau erzeugt in Dir Druck/Angst/Sorgen?

Es gibt noch einige Fragen mehr, die Du Dir stellen solltest, um Klarheit zu gewinnen und neue Wege zu finden.

Verhaltensänderungen sind nicht immer einfach. Aber sie sind machbar, sobald man weiß, wo man in seinem Denken oder Handeln regelmäßig „falsch abbiegt“ und sich selbst ausbremst.

Oft kann man selbst schon Änderungen bewirken.

In anderen Fällen muss man sich die Personen suchen, die einem beibringen, wie man es besser machen kann und aus den alten Mustern heraus kommt.

Lösungsweg 3:

Deine:n Chef:in wird das alles nicht interessieren?

Die Reaktion wäre lediglich „Dann gehen Sie eben“ - da bist Du Dir sicher? Oder er/sie wird Dir mit Allgemeinausreden ausweichen und nicht ernsthaft nach Lösungen suchen?

Wenn das stimmt, dann sollte Deine Frage nicht sein, WIE Du sagst, dass Du SO nicht mehr arbeiten möchtest, sondern WANN Du sagst, dass Du zukünftig WOANDERS arbeiten wirst.

Denn unter einer derart veralteten Führung zu arbeiten, bringt Dich nicht weiter. Es gibt immer mehr neue Leader, sowohl in kleinen als auch in großen Unternehmen, die einen anderen Stil erfolgreich umsetzen. Weil sie davon profitieren! Und es gibt immer mehr Arbeitnehmer, die in alten Strukturen die Führung zum Umdenken zwingen.

Du möchtest aber gern im Unternehmen bleiben, Du hast nur leider eine Chefin/Chef mit narzisstischen Zügen?

Führungskräfte mit mehr oder weniger narzisstischen Zügen sind leider nicht selten und für Mitarbeitende schwer zu behandeln.

Eine solche Führungskraft wird nie viel Interesse für das Wohlbefinden ihrer Mitarbeitenden aufbringen (können). In ihrem Weltbild haben Mitarbeitende und letztlich sogar das Unternehmen selbst nur einen ihrem Ansehen und Wohlbehagen untergeordneten Wert.

Was also tun, wenn Du nicht gehen willst?

Dies zu beantworten würde mehr als einen Artikel füllen, aber hier ein paar Tipps, die man bei Menschen mit narzisstischen Charakterzügen (es muss nicht wirklich die Persönlichkeitsstörung sein) beachten sollte. Ich hatte selbst einmal das Vergnügen mit einem solchen Vorgesetzten und für die Zeit damals kamen wir miteinander zurecht. Und dieselben Erfahrungen habe ich von anderen berichtet bekommen:

  • Sei Dir immer im Klaren, was Du willst. Verhalte Dich nicht unsicher in der Gegenwart dieser Menschen. Sie legen es sofort als Schwäche aus und nehmen Dich nicht mehr ernst. Im Gegenteil, das gehört oft zu ihrer Taktik, zu verunsichern.

  • Mache also klare Ansagen, tritt höflich aber bestimmt auf und sei gut vorbereitet, wenn Du mit ihnen sprichst. Nicht: „Irgendwie ist das alles zuviel für mich und so kann es nicht weitergehen…“ Sondern: „Ich kann A,B,C bearbeiten und bin so und so weit; für D,E habe ich keine Kapazität mehr, weil xyz. Das muss jemand anders bearbeiten oder liegen bleiben etc.“

  • Sei auch darauf vorbereitet, dass sie versuchen, Dich zu verunsichern. Diese Menschen scheinen zwar Leader zu sein, schieben aber lieber Verantwortung auf andere. Hauptsache sie stehen gut da, kommen gut durch und erlangen ihre Vorteile.

  • Erwarte also nicht Empathie. Und glaube bitte nicht, dass sie sich ändern können/wollen. (natürlich gibt es Ausnahmen, ich hoffe immer noch, dass mir jemand von so einem Fall berichtet)

  • Versetz Dich stattdessen an ihre Stelle. Überlege Dir also immer, was das Ansehen und die Bequemlichkeit dieser Menschen gefährden kann. Meistens können sie auf Deine Leistung nicht verzichten und wissen das genau. Und wenn nicht, dann führ es ihnen vor Augen. Dabei kannst Du sogar Verständnis für ihre Bedürfnisse zeigen (mimen).

Werden sie Dich mögen? Mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht - sie mögen selten andere Menschen über deren Nutzen für sie hinaus -, aber sie werden Dich respektieren. Das ist viel mehr wert in diesen Beziehungen. Es ist dann sogar möglich, sehr freundlich miteinander umzugehen. Vielleicht siehst Du Dich sogar vor dem Problem, dass sie sich Dir anvertrauen wollen. Ziehe da sofort die Grenze.

Du solltest auch bei aller Freundlichkeit dieser Vorgesetzten immer auf der Hut sein.

Du kannst Dir vorstellen, das Unternehmen zu verlassen, wenn sich an der Arbeitskultur (-moral) nichts ändert?

Interessanterweise ergeben sich überraschende Lösungen, wenn die Menschen einmal einen klaren Entschluss gefasst haben, was sie wollen, und was sie nicht mehr wollen.

Stecken bleiben wir, wenn wir an Denkmuster glauben wie: „Das möchte ich alles nicht so, aber sonst gibt es ja nichts.“ Es ist eine Frage unserer Leidensfähigkeit, wie lange es dauert, bis wir Entscheidungen treffen und neue Schritte wagen.

Sehr häufig ergeben sich nach einem solchen Entschluss allein schneller als erwartet Alternativen und neue Wege. Zurück bleiben verdutzte Chefinnen/Chefs.